Herzlich Willkommen, ich freue mich,
dass Sie dem lebendigen Leben noch nicht abgeschworen haben und hier an diesem
Vortrag heute teilnehmen. Ich will Ihnen keinen analytischen Beitrag vortragen.
Keinen Fachbericht über das „Richtig leben“ abliefern.
Ich will Ihnen auch keine neue Methode
servieren. Keine neue Theorie, auch kein neues Prinzip. Die Buchhandlungen sind
voll davon. Und trotzdem leben so wenige Menschen.
Die meisten von uns sind ständig damit
beschäftigt, die Regeln irgendeiner Schule zu erfüllen, ein Dogma, eine Methode
oder ein Prinzip zu vertreten. Eine beliebte Beschäftigung ist auch die Jagd
nach den drei Qs: dem IQ, dem EQ und dem SQ.
Ich will Ihnen um Himmelswillen nicht
noch etwas Neues aufbürden! Denn der Wissenschaften gibt es genug, die leblos und perfekt wiedergegeben werden.
Und die man auch noch beherrschen sollte! Hinter keinem Theoriegebilde kann das
Leben gefunden werden, aber hinter all den Lehren lässt es sich so leicht
verstecken. Da ich mich keiner Lehre, sondern dem praktischen Leben
verschrieben habe und verpflichtet fühle, bin ich also hier mit mir selbst. Und
natürlich bin ich hier mit Geschichten und Beobachtungen von Menschen, die
beschlossen haben, aufzuhören mit dem Nicht-Leben. Wenn Ihnen heute Ihre
Lebensträume wieder begegnen sollten, dann ist es das Beste, was geschehen kann,
um Sie Ihr eigenes lebendiges Leben spüren zu lassen. Sie daran zu erinnern,
was Sie alle wissen: dass da noch viel mehr ist, als das, was wir leben.
In meinem Beratungszimmer besuchen
mich täglich Menschen, die nicht aufgegeben haben, immer wieder über die Mauer
des vorgeschriebenen Denkens und Seins zu schauen, und die beschlossen haben,
nichts anderes mehr als ihr gelebtes Leben zu suchen. Die den Mut aufbringen,
ihr Gefühl der Sehnsucht nach Lebendigsein zu äußern. Die, statt gehorsam sein
zu wollen, wahr sein wollen. Zudem konnten sie alle in ihrem bisherigen Leben
mit niemandem über ihr abgestorbenes Lebensgefühl offen reden und wollen auch
dies nun ändern. Vorerst noch nicht laut, draußen bei den Kollegen und
Kolleginnen. Oftmals auch nicht mit ihren Lebenspartnern oder Eltern. Damit
haben sie keine guten Erfahrungen gemacht. Schon als Kinder nicht. Nein,
vorerst still, und nicht selten verzweifelt, im Gespräch mit mir. Ihr Erfolg
draußen ist oft groß, die Anerkennung gewährleistet und die soziale Einbettung
gegeben. Und trotzdem aber – das Leben nicht spürbar.
Sie ist diffus, diese Sehnsucht nach
dem Leben. Aber sie ist immer wieder da. Vergraben, vergessen und doch so
spürbar da.
Einmal
im Leben so richtig leben
Es ist dieses Gefühl in uns, das uns
immer mal wieder mahnt: Einmal im Leben so richtig leben!– Was fühlen Sie?
Jetzt gerade, wo Sie den Satz hören: Einmal im Leben so richtig leben! Kommt da
jetzt spontan ein großer Seufzer, eine leise Wehmut? Oder vielleicht das
Gegenteil, nämlich Freude und Lust? Ist das eher freudig oder eher traurig im
Gefühl? Ist es ein Prickeln im Körper oder eine lähmende Leere?
Der erste Impuls
Behalten Sie Ihren allerersten Impuls
dazu. Nehmen Sie ihn einfach wahr und bewerten und analysieren Sie ihn nicht.
Benennen Sie ihn nicht. Nur einfach wahrnehmen. Schauen und fühlen. So beginnt
der Weg zur inneren Quelle, zur Intuition, zur Stimme unseres Herzens, die den
Weg zu unserem eigenen Leben kennt.
Auf diesen ersten Impuls folgt in
Sekundenschnelle der zweite Impuls, und der überdeckt den ersten so gründlich,
als hinge unser Leben davon ab. Aber so ist es ja auch. Darüber werde ich noch
sprechen. Den einen Impuls vom anderen unterscheiden zu können, braucht etwas
Übung.
Aber es ist der spannendste und lustvollste
Lernweg, den ich kenne – obwohl wir diesen ganz persönlichen Lernweg oft lange
suchen müssen, versteckt in der hintersten Ecke unseres Wesens. Vergraben unter
all unserem angelernten Denken und Nicht-Mehr-Fühlen-Dürfen.
Überwachsen und vergessen unter all
dem Lern-Stoff, der uns eingetrichtert wurde seit dem ersten Schultag. Dieser
Lernweg in Richtung Lebendigkeit ist in keinem Lehrplan unserer Schulen und
Universitäten enthalten. Es wäre höchste Zeit, dies zu ändern!
Kinder – ließe man sie – würden
diesen, nämlich ihren Weg, ganz natürlich finden.
Kinder – ließe man sie – würden ihn
uns vorleben, ganz natürlich.
Aber Kindern wird diese tiefe Würde
und dieses tiefe Wissen schon früh ausgetrieben. Bis auf einige wenige
natürlich. Diese wunderbaren mutigen Ausnahmen gibt es immer und überall.
Wir aber, selbst Kinder dieser
anerkannten Unterdrückung, dürfen heute diesen unseren Weg selber gehen und
dieses unser Lernen selber gestalten. Das ist ja gerade das wunderbar Neue,
aber auch das Schwere und Beängstigende daran. Denn das sind wir nicht gewohnt.
Das haben wir nicht lernen dürfen. Wehe, wir hätten unserer Intuition
nachgeträumt und danach gehandelt!
Wehe, wir hätten unseren Träumen Namen
gegeben! Erinnern Sie sich daran, wie das bei Ihnen war? Wie hat Ihre Umgebung
auf Ihre wahren Bedürfnisse und Ihre Tagträumereien reagiert? Wie auf Ihre
großen Phantasien und Pläne? Mit Freude und Zeit? Mit Interesse und Förderung?
Spüren Sie, was sich da prächtig
entwickeln konnte? Ja, da entwickelte sich schnell unser uns bestens bekannter
zweiter Impuls, der dafür sorgte, dass wir nicht träumten und nicht herum
schlenderten. Sondern vergruben, was in uns lebte. Wie wir das bewerkstelligen
können, erklärte uns stets auch der zweite, uns eingebläute Impuls. Und er tut
es heute noch. Was wir lernen mussten, war Leisten. Richtig leisten. Machen.
Richtig machen. Dann machen, wenn die Zeit dafür vorgesehen war. Nicht in
unserer Zeit, nein, in vorgeschriebener Zeit. Lernen. Das lernen, was
vorgeschrieben war, nicht das, was aus Neugierde aus uns selbst drängte und
darum so leicht hätte geleistet und gelernt werden können.
Das Wissen vergessen
Also, vergessen Sie am besten einen
Moment lang Ihr angelerntes Wissen und Ihre fixen Vorstellungen wie etwas zu
sein hat oder nicht zu sein hat. Gerade für die, die Fachleute auf Ihren
Gebieten sind, wird dies eine echte Herausforderung. Denn Ihr analytisch
geschulter Geist erlaubt Ihnen ungern Spaziergänge auf unbekannten,
unberechenbaren Ihr Geist könnte das als unintelligent, sinnlos oder unlogisch
taxieren. Der Zensuren sind da viele im Kopf. Nur bringen diese Ihnen nichts
Neues. Darum lade ich Sie ernsthaft ein, tauchen Sie ein in Ihr inneres Wissen.
Dieses innere Wissen, das wir auch Intuition, erste Impulse oder Sprache des
Herzens nennen können.
Dieser innere rote Faden wird es sein,
der Ihr anderes Wissen, das rationale und angelernte also, zur Hochblüte
treiben wird. Denn wenn Schulwissen einhergeht mit Herzenswissen, dann
geschieht wahrhaft Veränderung. Das Gefühl vom Wahrsein, vom Lebendigsein
stellt sich nicht ein, wenn wir uns innerhalb unserer ewig gleichen
Denkschachtel bewegen, da braucht es schon den Sprung hinaus und im freien Fall
hinein in unsere Intuition, die uns immer auffängt.
Ein Chemiker, der bei mir im Gespräch
war, drückte es so aus: „Wenn ich denke, wozu meine Forschung dient, die ich
heute betreibe, dann wird mir übel. Ich kann mich kaum noch selbst im Spiegel
betrachten. Ich nutze mein großes Wissen für eine letztendlich lebenszerstörende
Forschung. Und ich weiß das! Meine innere Stimme sagt es mir täglich. Sie lässt
mir keine Ruhe.
Meine andere Stimme aber weiß genau:
Wenn ich forschen möchte an dem, was längst in mir lebt und sinnvoll wäre, und
das laut mitteile, dann bekomme ich keine Forschungsgelder, geschweige denn
noch Arbeit. Und in diesem Spannungsfeld von Selbstbetrug und Betrug sterbe ich
ab.“ Er wollte endlich springen.
Er wollte sein universitäres Wissen
mit seinem Herzenswissen verbinden, wie das eigentlich ganz natürlich wäre.
Aber er sah keine Möglichkeit, das in Realität umzusetzen.
Ein anderer Klient brachte dieses
Dilemma für sich und so viele andere auf den Punkt: „Ich bin erfolgreich, bin
angesehen, verdiene viel Geld als Chefarzt, habe eine hochkomplexe, interessante
Arbeit, und mache diese Arbeit auch gut. Ich leite ein Spital, mit einem
enormen Pensum an Arbeitszeit. Trage große Verantwortung. Genieße die Macht und
die hohe Anerkennung, die mir entgegengebracht wird. Mein Status ist mit
Privilegien verbunden, an die ich mich gewöhnt habe.
Ich lebe in einem schönen Haus mit
einer lieben Frau, die ebenso wie ich ein Unternehmen leitet. Wir können uns
jede Reise leisten und trinken nur den besten Wein.“ – Auch ein Mann, der voll
im Leben steht, der es geschafft hat, wie man so schön schrecklich sagt. – Er
aber fuhr weiter: „Ich weiß, ich habe alles, aber trotz alledem fühle ich in
mir einen enormen Verlust an Lebensqualität.
Ich fühle mich nicht mehr. Ich
funktioniere. Habe kaum Zeit für die Patienten, geschweige denn für mich und
meine Frau. Ich sehne mich nach Zeit, wenn ich sie aber mal habe, weiß ich
nichts mit ihr anzufangen. Wenn ich an mein Leben denke, dann ist da trotz
meines großen Prestiges eine Leere. Wozu das alles? Ist dieses gehetzte Dasein
mein Sinn? Oder bin ich undankbar?
Sollte ich zufrieden sein, mit dem was
ich habe?“ Leise, fast beschämt fuhr er weiter: „In mir ist immer wieder eine
Sehnsucht nach dem Ausbrechen. Manchmal träume ich sogar davon, einfach etwas
völlig anderes zu tun. Ich träume davon, Zeit zu haben, die Jahreszeiten wieder
zu spüren und zu erleben. Oder ich erinnere mich, dass ich doch eigentlich
Musik studieren wollte. Aber in der Familie war es beschlossene Sache, dass ich
Arzt, wie mein Vater und Großvater, werden sollte.
Ich bin heute zwar gerne Arzt, und
trotzdem, das Gefühl der Unzufriedenheit bleibt. Etwas treibt mich. Diese
Gedanken aber machen mir Angst. Würde ich ihnen tatsächlich nachgehen und sie
Ernst nehmen, dann fürchte ich, alles, was ich mir erarbeitet habe, zu
verlieren. Ich glaube ins Nichts zu fallen. Und doch: Ich bin jetzt 48 Jahre
alt und deprimiert, wenn ich daran denke, dass das jetzt mein Leben war. Ich
möchte leben! Nicht etwa das Leben, das mir anerzogen wurde!
Nein, frei und lebendig leben! Dieses
unvergleichbare Gefühl von Leben spüren, das ich tief in mir ahne. Danach suche
ich, das bewegt mich. Das lässt mich warm ums Herz werden und in meinen
Gedanken höchst mutig und kreativ in meinen Träumen schwelgen, die ich nicht
auszusprechen wage. Aber wenn ich es nicht endlich wage, mein Leben, dann habe
ich es nie wirklich gelebt.“
Er war in diesem Moment der Klarheit
und tiefen Verbundenheit sehr nahe bei sich selbst und gerade dadurch in eine
große innere Spannung geraten.
Er befand sich in einem inneren
Widerstreit zwischen dem ersten Impuls oder der Stimme, die da sagt: „Ich
möchte doch so gerne leben, wie es mir entspricht“, und dem zweiten Impuls,
seiner Gegenstimme, die mahnt: „Ich darf das nicht. Wenn ich das täte, bräche
alles zusammen, es wäre ein Fall ins Nichts. Ich hab doch alles, was also will
ich mehr!“
Ein Hin und Her und Ja und Nein, oft
bis zur Erschöpfung. Und so erschöpft und leer wirkte er auch.
Aber dieses Leiden war er gewohnt.
Damit hatte er gelernt umzugehen. Seit Kindertagen, als seine Sensibilität in
ein Erwartungskorsett gestopft wurde. Das hielt er aus – bis heute. Nach außen
hin gut, wie Sie gehört haben. Es hätte ihn das Leben gekostet als Kind, hätte
er nicht ausgehalten, was ihm aufgebürdet war. Als erwachsener Mann nun kostet
es ihn sein gelebtes Leben, dieses sein Aushalten und Verbleiben im Korsett der
Erwartungen anderer.
Leben nicht aushalten, sondern leben
Er hatte nicht gelernt, seinem inneren
Gefühl zu folgen. Seiner Stimme zuzuhören, seinen ersten Impuls wahrzunehmen
und ihm nachzugehen. Aber nun wollte er es. Und das zählt! Er wollte aufhören,
das auszuhalten. Er wollte das Leben nicht aushalten, sondern leben.
Von diesem Lernweg spreche ich. Er ist
geboren aus einer inneren Notwendigkeit. Und wir werden krank, aggressiv,
depressiv, gewalttätig, ganz subtil, oder sichtbar direkt, leben mit Leiden
statt mit Freuden, wenn wir nicht beschließen, unseren Geist und unsere
Konzentration auf unsere wahren Bedürfnisse zu lenken. Immer wieder und immer
wieder aufs Neue. Bei jeder Gelegenheit.
Wenn wir uns selbst nicht
diskriminieren und beurteilen, sondern für uns selbst eine neugierige,
mitfühlende Haltung einnehmen, entdecken wir ganz natürlich unseren Weg. Und
damit auch unseren roten Faden, an den wir uns halten können, durch alle Wirren
hindurch. Und es spielt überhaupt keine Rolle, an welchem Platz Sie gerade
stehen. Jeder Platz ist genau der richtige Platz.
Sie können überall und sofort damit
beginnen. Es gibt keine äußere Struktur, an der Sie sich da halten könnten oder
müssten. Hier geht es um Freiheit. Innere wie äußere. Im Wahrnehmen und
Ernstnehmen unserer momentanen Bedürfnisse, unseres momentanen Gefühls, unseres
gerade im Moment gespürten Wissens entdecken wir, was getan werden kann und
muss. Wir entdecken plötzlich die Wahl, die wir glaubten verloren zu haben.
Die Wahl
Die 15-jährige Sandra hatte diese Wahl
bereits verloren. Sie musste sich schon in ihren jungen Jahren fürs Aushalten
entscheiden. Weil sie keine andere Alternative je kennengelernt hat. Und Sandra
ist in bester Gesellschaft damit. Sie fühlte sich in der Schule und im
Elternhaus im Stich gelassen und rettete sich, indem sie aushielt, was
gefordert wurde. Ich lernte sie an einem meiner Schul-Projekttage zum Thema Gewalt
und Vorurteile kennen. Es waren über 100 Schüler und Schülerinnen, die über
ihre Erfahrungen sprachen. Sandra war still, unauffällig und angepasst. Die
Lehrer hatten nichts an ihr zu beanstanden. Ihre Eltern, beide Akademiker,
erwarteten von ihr gute Noten. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.
Die Schüler wählten aus vielen
farbigen Blättern eines aus, und zogen verschiedene Satzanfänge, die sie
beenden konnten. Auf Sandras Blatt stand: „Die Schule macht mich....“ Es
verging kaum eine Sekunde und schon schoss es aus dem Mädchen heraus: „Die
Schule macht mich aggressiv, depressiv und krank. Mich interessiert nichts von
dem, was ich lernen muss. Ich hasse es!
Aber ich habe aufgegeben, mich dagegen
zu wehren, ich habe aufgegeben zu sagen, was ich wirklich fühle und möchte, ich
will nur noch bis aufs i-Tüpfelchen genau gesagt bekommen, was ich wie zu
lernen und zu tun habe. Damit kriege ich gute Noten und habe meine Ruhe vor den
Eltern und den Lehrern. Die sind dann zufrieden.“ Lehrer wie Mitschüler waren
vollkommen perplex! So etwas kam aus der stillen und guten Schülerin Sandra!
Auf meine Frage, wie es ihr dabei gehe, antwortete sie: „Miserabel!“ „Und was
tust du, wenn es dir miserabel geht?“ „Ich schlage auf mein Kopfkissen ein, und
wenn das nichts mehr nützt, schlage ich meinen kleinen Bruder. Der schreit dann
so schön laut.“
Sandra hatte aufgegeben, ihre Gefühle
und Wünsche mitzuteilen. Die Schreie ihres Bruders sind Ersatz für ihre eigenen
nicht ausgedrückten Schreie geworden. Sandra äußerte keine Träume. Und dafür
bekam sie gute Noten und Anerkennung. Sandra verbot sich selbst, bereits in
ihrem jungen Leben, auf ihre innere Stimme zu hören. Diese lebenserhaltende
Stimme, die wohl rebelliert hätte und gezeigt hätte, wie elend sie sich unter
dem Erwartungsdruck fühlt. Sie vergrub sie und wird sie mit den Jahren
vergessen.
Können Sie sich ihr weiteres Leben
vorstellen? Irgendwann wird sie resigniert feststellen: Ich habe nicht gelebt.
Aber viel geleistet. Wenn aber dieses Bewusstsein sich meldet, ist die Chance
sofort wieder da!
Über das System
Ein unendlich wichtiger Schritt auf
diesem Lernweg ist, das persönliche und auch das ganz allgemeine System, in dem
wir stecken, einfühlend und zielgerichtet zu hinterfragen. Es macht uns einseitig
und darum krank. Das Unterwerfungs-System unserer Schulen ist eines der besten
Beispiele dafür. Unterwerfung und Gehorsam als tägliche Anforderung toleriert,
kann nicht in Wahrhaftigkeit, Mitgefühl, Mut, Solidarität, Anstand, Freiheit
und gelebter Liebe münden. Unter Zwang lernen wir nicht zu leben, sondern zu
überleben. Und darum besteht die absolute Notwendigkeit, ein System, ein Umfeld
zu schaffen, eine Haltung zu fördern, in der Intuition, Gefühle, erste Impulse
und die innere Stimme den gleichen Stellenwert haben wie das angelernte an sich
ebenso wertvolle Wissen.
Wäre unser rationales Wissen
ausreichend, dann hätten wir unseren Kindern Schulen und Lernmöglichkeiten
geschaffen, mit denen sie glücklich wären. Und aus denen selber denkende und
mitfühlende Frauen und Männer wachsen könnten, die ihrerseits die Fähigkeit
hätten zu spüren, wann ihr Kind aufgegeben hat, es selbst zu sein. Ein Mädchen
wie Sandra würde nicht für ihre Selbstaufgabe gute Noten bekommen. Wir hätten
dieses System, das künstlich Sieger und Verlierer erzeugt, nicht geschaffen und
nicht geduldet. Ganz einfach, weil unser ganzes Gefühl dagegen rebelliert hätte
und wir darauf hätten hören dürfen.
Immer noch sind es wenig Eltern und
wenige Schulen, die den Kindern ihren eigenen Rhythmus zugestehen, in dem sie
lernen dürfen, und auch das lernen dürfen, was sie wirklich interessiert.
Ich habe viel von solchen freien
Kindern gelernt, die gerade deshalb lernfähig sind. Sozial und intellektuell.
Die ihre Freiheit nicht missbrauchen müssen, weil sie ihnen geschenkt wird.
Schauen Sie sich um, es gibt sie, die Modelle, die Schulen und die Bücher, die
das freie, undogmatische und gemeinsame Lernen praktizieren und darüber
erzählen.
Zurück zum Impuls
Von einer Frau noch möchte ich Ihnen
an dieser Stelle erzählen. Sie hat den Kontakt zu ihrem ersten Impuls nie verloren.
Sie wusste immer genau, was sie eigentlich wollte. Und trotzdem machte sie
genau das nie. Als sie zu mir ins Gespräch kam, war sie gerade in die Geschäftsleitung
ihrer international tätigen Firma befördert worden und am Ende ihrer Kräfte. In
bestens antrainierter Weise erklärte sie mir den Sachverhalt: „Ich bin da
angekommen, wo viele Frauen sein möchten. Ich bin gefragt und leiste mehr als
jeder Mann. Durch den Kampf, den ich führte, um an diese Position zu kommen,
habe ich mich aber irgendwie verloren. Ich spüre den Verlust meiner
Weiblichkeit, ohne genau benennen zu können, was ich damit meine.
Ich lebe seit 10 Jahren ohne Partner,
und ich träume wie früher als junges Mädchen von meiner Farm in Canada. Ich
habe mir diesen Traum nie erfüllt. Obwohl er ständig präsent war. Meine Eltern
sagten mir damals: Werde zuerst etwas, dann kannst du träumen! Ich bin jetzt 50
Jahre alt, und ich bin etwas geworden, aber nun traue ich mir meinen eigenen
Traum nicht mehr zu. Mein ganzes Leben lang habe ich ihn vor mir hergeschoben.
Hinter mir hergeschleppt. Habe Karriere gemacht und viele Entscheidungen
getroffen. Nur nicht die, meinen Traum zu erfüllen.“
Erst als sie sich zugestand, ihre
volle Konzentration ihrem Traum zu widmen und Schritt für Schritt, konsequent
ihrem jeweiligen ersten Impuls zu folgen, diente ihr die Kraft, die sie vorher
dazu brauchte, ihrem Traum nicht zu folgen, zur Umsetzung dessen, was sie schon
immer tun wollte.
Ihre Angst vor dem Fall blieb auf
diesem neuen Weg präsent, aber sie war nicht mehr stärker als ihr Traum. Sie
lebt heute in Canada, genauso, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Und sie
ist nicht mehr allein, und ihr Frausein wurde zur Entdeckung einer völlig neuen
Kraft in ihr.
Das Gemeinsame
Was haben der Chemiker, der Arzt, die
Schülerin und die Managerin gemeinsam, obwohl ihre Lebensgeschichten
grundverschieden sind?
Sie funktionieren gut und werden
gerade dadurch anerkannt und sozial abgesichert.
Sie sind unzufrieden, spüren einen
Verlust in sich.
Eine tiefe Resignation lebt in ihnen.
Sie kapitulieren.
Sie spüren den drängenden Wunsch nach
dem eigenem Leben und Wahrsein.
Das, was ich in meiner Arbeit täglich
feststelle, ist das Vorhandensein des klaren Wissens in jedem Menschen, das
aber nicht wahrgenommen werden darf und durfte. Was diese Menschen mitbringen,
ist die Unzufriedenheit, gepaart mit einer tiefen Resignation. Und wenn sie
noch nicht vollends begraben ist, dann noch gepaart mit der Sehnsucht nach echtem
Leben. Aber da ist auch gleichzeitig die Angst vor dem echten Leben mit all den
eigenen Träumen, den eigenen Wünschen, der eigenen Ethik. Und da ist die
Anpassung an geforderte Erwartungen und Normen. Und da sind die Folgen davon.
Eine Unterwerfung an eine diffuse Macht von Nicht-Leben-Dürfen, die wie eine
Epidemie so viele Menschen angesteckt hat.
An dieser Krankheit laborieren wir
alle mit. Und alle, die ich begleite, möchten damit aufhören.
Und sie beginnen endlich ihrem
Mitgefühl – das einhergeht mit dem inneren Wissen – zu folgen.
Zuerst in kleinen, später in größeren,
sie befreienden Handlungen.
Nicht wenige haben bereits langjährige
Analysen hinter sich und können sich selbst und anderen genau erklären, warum
sie nie das machten, was sie eigentlich gerne gemacht hätten. Sie haben
Methoden und Theorien befolgt, sind in Religionen und Traditionen verwurzelt,
haben gelernt und gelehrt. Sie haben vieles ausprobiert, kennen Gurus und
Heilslehren. Sind hoch ausgebildet und besitzen Titel und Funktionen. Sie haben
erfolgreiche, interessante Berufe und Karrieren.
Aber eines haben sie nicht: Ihr
eigenes Gefühl vom selbst gewählten und gelebten Leben. Dafür aber dieses sich
immer wieder meldende Gefühl der Unzufriedenheit, ohne direkt ersichtlichen
Grund. Eine Resignation, die geboren ist aus dem Gefühl der Hilflosigkeit der
eigenen Sehnsucht nach glücklichem Leben gegenüber.
Die Resignation
Ich möchte noch etwas bei diesen
Gefühlen der Resignation bleiben. Ich bedauere sehr, dass sie in keiner Weise
als das, was sie ist, erkannt wird, nämlich als wahrhaftiger Spiegel der
eigenen Befindlichkeit und zwar ohne Wenn und Aber. Ohne Beschönigung, ohne
Verbrämung und nicht verklausuliert. Als ein großes Geschenk an uns selbst,
wollen wir wirklich ins eigene Leben gehen.
Viele Frauen und Männer leben bei
genauer Betrachtung in dieser umfassenden tiefgreifenden Resignation. Und diese
wird oft nicht bewusst wahrgenommen. Weder von den Betroffenen selbst, noch von
ihren Therapeuten und Beratern, und schon gar nicht von unserer Gesellschaft.
Aber das ist es, was sie sind, einfach nur resigniert.
Wahrgenommen werden hingegen die
Symptome der Resignation, wie zum Beispiel Mutlosigkeit, Lustlosigkeit, Langeweile,
Antriebslosigkeit, Depression, Aggression, Leere, Wut, Migräne, Konsumsucht u.
v. a. mehr. Resignation und die damit oft verbundene Kapitulation den eigenen
wahren Bedürfnissen gegenüber kann sich aber auch ganz anders zeigen.
Und dieser Ausdruck einer versteckten
Resignation ist der Raffinierteste, denn er ist uns als Voraussetzung, leben zu
können, antrainiert worden.
Hier zeigt sie sich nämlich auch im
Kampf um
– die Stellung mit dem höchsten
Prestige
– den höchsten Bonus
– Marktvorteile, egal um welchen Preis
– Karriere, egal um welchen Preis
– eine Frau, einen Mann
– die beste Aktie
– ums Rechthaben.
Diese Liste ließe sich endlos
weiterführen. An solchen Kompensationen hängt unser zerstörerisches und
ausbeuterisches Wirtschaftssystem, das gerade darum zu funktionieren scheint.
Analysen, Statistiken, Produkte,
Beratungen basieren darauf.
Was täten sie alle, wenn dies aufhören
würde? Was, wenn die Menschen frei von alledem würden?
Das darf nicht sein, und darum: Wenn
die Resignation tatsächlich wahrgenommen wird, wird sie unverzüglich benannt,
bewertet, beurteilt, analysiert und mit den verschiedensten Methoden und
Mitteln bekämpft.
Sie darf nicht sein. Denn sie hindert
uns am Funktionieren, dass uns abverlangt wird. Sie bringt uns zum eigenen Nachdenken.
Und das führt uns in den Abgrund. Dazu hat jeder Mensch seine eigene
Vorstellung. Jedenfalls ist diese Vorstellung von Befreiung aus der Funktions-
und Manipuliermasse Mensch immer ganz existentiell bedrohend.
Ich sage Ihnen, das Gegenteil ist der
Fall: Wenn wir nämlich Schritt für Schritt vorgehen, die Resignation einfach
sprechen lassen und somit in diesen Spiegel der tatsächlichen Befindlichkeit
schauen, und zwar ohne Wertung, einfach nur schauen und es einfach nur wirken
lassen, ohne Benennung dessen, was wir sehen und ohne gleich die Gefühle dazu
zu unterdrücken und wegtherapieren zu wollen, dann führt uns dieses Schauen zu
der Brücke, nach der wir ja eigentlich suchen, hinüber zu unserer tiefen
Sehnsucht nach unserem eigenen gelebten Leben.
Die Sehnsucht
Hin zu dieser Sehnsucht, die uns
wiederum direkt zu unserer inneren Wahrheit führt, die wir ebenfalls für sich
sprechen lassen dürfen, um so beginnen zu können, das zu leben, was wir
wirklich fühlen und wollen.
Das allerdings braucht Konzentration
auf die Tatsachen unseres wahrhaftigen Fühlens und die Tatsachen unseres gegenwärtigen
Lebens. Und es braucht einen offenen Geist, der wertfrei und ohne Vorstellung
direkt aus unserem Herzen mitdenkt und vor allem mithört. Nur das Herz kann
wertfrei hören. Ausbildung, Vorstellung, Meinung und Wertung geben dem Herz in
der Regel keinen Platz.
Die Sehnsucht in uns beredt werden zu
lassen ist etwas vom Schönsten überhaupt. Da kommen Visionen, Träume, Ideen,
Wünsche zum Vorschein, die den tiefen Wahrheiten in uns entspringen. Und die
von Liebe und Solidarität für den Mitmenschen, die Tiere und die Natur nur so
sprühen. Die eine gelebte Freiheit mit sich bringen, die uns alle beseelt. Die
Fachwissen endlich dem Menschen und dem Planeten Erde dienbar macht. Und es
kommt eine der wichtigsten Einsichten zu Tage, nämlich die, dass der freie und
befreite Mensch aus innerem Antrieb und Bedürfnis voller Rücksichtnahme ist.
In den vielen
Neuorientierungsseminaren war dies eine der erstaunlichsten und tragfähigsten
Feststellungen. Der Mensch ist fähig, über all seine Konditionierungen, Vorurteile,
Religionen und Ethnien hinauszuwachsen.
Er wächst sogar über das Frau- und das
Mannsein hinaus und wird einfach nur Mensch. Dies ist gelebte Spiritualität,
die einfach, klar und deutlich ist.
Es braucht aber das wertfreie Zuhören.
Das ist unabdingbar, soll gelebtes Leben gelingen. Es braucht den Mut, sich vom
eigenen inneren Feuer wärmen zu lassen. Und es braucht das Bewusstsein und den
Willen, es auf kein vorgeschriebenes Maß zu reduzieren. Ganz natürlich führt
uns das zu Zufriedenheit und Selbstbestimmtheit. Und dies wiederum eröffnet uns
die Wahl, die wir in unserer Hilflosigkeit längst verloren glaubten. Diese Wahl
bringt uns Freiheit, Mitgefühl und Kraft; das wiederum beschert uns das Gefühl
vom gelebten Leben, nach dem wir so lange suchten.
So können Unzufriedenheit und
Resignation unsere untrüglichen Wegweiser zu unserer Sehnsucht nach gelebtem
Leben werden. Es ist eine Chance, die wir nicht unterdrücken sollten. Denn die
Sehnsucht ist die Schwester der Resignation. Und die Sehnsucht ist die Sprache
des Lebens, das in uns wach werden will und wachsen will. Und somit ist sie der
authentischste Wegweiser ins gelebte Leben.
Und hier erwacht nun der Wille, der
die Kraft in sich birgt, diesen neuen Weg zu gehen. Auch wenn dieser manchmal
unbequem ist. Es erfordert die Bereitschaft, tiefes Erkennen und tiefe Einsicht
zuzulassen. Was daraus wächst, ist der Mut zum Handeln. Und es erfordert das
Weglassen jeglicher Art der Ablenkung und äußeren Wegleitung. Und das ist nicht
leicht in unserer wahnsinnigen Zeit, mit ihren schnellen Rezepten. Aber das ist
unabdingbar, will man den wirklich eigenen Weg finden und gehen.
Keine Schule, keine Universität und
kein Beruf hat uns das gelehrt. Es scheint uns darum unendlich schwer, diesen
Weg ganz praktisch zu gehen und diese innere Stimme zu hören und ihr dazu noch
zu vertrauen. Vor allen Dingen, die richtige innere Stimme zu identifizieren.
Diesen ersten Impuls vom zweiten Impuls zu unterscheiden, dass erscheint am
Anfang fast unmöglich.
Die Erwartungen
Darum gerät zunächst alles ein
bisschen oder ziemlich durcheinander, und so taucht dann auch meistens genau in
diesem Moment der inneren Wahrheit die Erwartung auf, eine Methode, eine
Theorie oder eine Lehre könne nun diese erwachte Wahrheit erfüllen. Also glaubt
man, man müsse nur das Richtige für sich finden, die neuen Leitlinien nur
richtig befolgen, um so die eigene Sehnsucht erfüllt zu bekommen. Und dass so
das gelebte Leben machbar wird. Wir haben ja vor allen Dingen genau das
gelernt, etwas Vorgegebenes richtig zu erfüllen. Dafür bekamen wir Lohn und
Anerkennung, und damit sind wir schließlich nicht verhungert. Außer eben unser
Hunger nach gelebtem Leben, der blieb groß.
Diese Hoffnung, jemand oder etwas kann
mir zeigen, wie ich glücklich leben könnte, ist darum ganz natürlich, birgt
aber die Gefahr, ein fremdes Lebenskonzept statt des eigenen zu leben.
Es birgt zudem die Gefahr, dass die
Sehnsucht manipuliert wird. In eine Richtung, die einem anderen statt mir
selber dient. Diese Art der Manipulation ist allgegenwärtig und bringt Leid und
Verunsicherung, man verliert den Zugang zu sich selbst und damit zum eigenen
klaren Wissen und Fühlen.
Die Geschichte der 11-jährigen Liza
zeigt eindrücklich, was geschehen kann, wenn ein Mensch sein klares Wissen und
Fühlen verlässt: Lizas Eltern waren geschieden. Liza konnte selber entscheiden,
wann sie bei wem sein wollte. Das ging solange gut, bis der Vater plötzlich
bestimmte, es sei nun besser für sie, wenn sie ein Zuhause hätte und nicht mehr
zwei. Liza fiel in tiefe Verzweiflung.
Bekam Schulschwierigkeiten,
Schlafstörungen und weinte wegen jeder Kleinigkeit. Sie wurde immer wieder
krank, und die Mutter beschwor den Vater, seine so schwerwiegende Entscheidung
zu überdenken. Sie wusste kaum noch ein und aus. Der Vater aber blieb bei
seiner Entscheidung. Als Liza mit ihrer Mutter zu mir kam, erzählte sie mir ihr
Leid. Sie weinte und sie litt. Obwohl sie dem Vater klar mitgeteilt hatte, dass
sie glücklicher sei, wenn sie ihn oft sehen könne und sie schrecklich traurig
sei, wenn er sie nur alle vier Wochen sehen wolle, blieb der Vater bei seiner
Auffassung.
Das allein ist schon schlimm genug.
Was aber am allerschlimmsten ist: Der Vater befolgte den Ratschlag des Psychologen,
zu dem er ins Gespräch geht. Ein Kind müsse klare Strukturen haben, meinte
dieser. Es sei nicht gut, wenn es mal hier, mal dort sei. Gegen sein eigenes
Gefühl entschied der Vater, diese Weisung einzuhalten. Dem Kinde zuliebe, wie
er meinte. Bis zu dem Zeitpunkt, als eine Autoritätsperson einen anderen Weg
empfahl, war Liza ein aufgewecktes, selbstsicheres Kind.
Danach verlor sie den Boden. Und man
behandelte die Symptome, bis gar nichts mehr ging.
Das Gefühl
Hier haben wir ein klassisches
Beispiel, wie Leid entstehen kann. Alles geht gut, bis der Vater sein eigenes
Gefühl verlässt, um einem vermeintlich rationalen Wissen zu folgen. Von dem Tag
an, als er den Mut aufbrachte sein Gefühl wieder Ernst zunehmen, lösten sich
die Probleme des Mädchens. Es wurde wieder fröhlich und lebendig. Ansonsten
hätte es je nachdem wohl depressiv, magersüchtig oder gewalttätig werden
können.
Wenn ein Mensch seinem inneren Gefühl
nachgeht, dieser Stimme seines Herzens folgt, dann lebt er auf ganz natürliche
Weise voller Mitgefühl für sich selbst und seine Mitmenschen. Dogmen,
Glaubenssätze, Manipulationen und Lehren können ihn nicht dahingehend beeinflussen,
dass er gegen sein eigenes Gefühl lebt.
Dass ist die Aufgabe, die wir haben,
wenn Veränderung in unserem Leben stattfinden soll. Wir kommen nicht umhin,
immer wieder für uns selbst die Verantwortung zu übernehmen und zu
hinterfragen, was wir gerade tun und für wen wir das tun und ob wir das tun
wollen, was wir tun.
Wir alle besitzen diesen wichtigen
Kompass in uns, der uns auffordert, ihm zu folgen. Wir müssen es halt einfach
nur tun. Auch wenn es uns am Anfang schwer erscheint. Mit der Zeit wird es
immer selbstverständlicher und befreiender. Und als Zugabe höchst lebendig!
Wenn Sie die Erwartung auf Ihr eigenes Wahrsein lenken, dann ist das die
Erwartung, die ich unterstützen kann. Diese führt in Ihre Selbstbestimmtheit
und duldet keinerlei Manipulation. Und das lässt Träume wahr werden.
Die Selbstbestimmung
Anna war 32 Jahre alt, als sie zu mir
in die Beratung kam. Sie hatte, zusammen mit ihrem Partner, einem sehr erfolgreichen
Unternehmensberater, einen wunderschönen Bauernhof in einem stillen Tal in der
Schweiz gekauft. Sie arbeitete mit Pferden, wie sie es sich immer gewünscht
hatte.
Und doch saß sie eines Tages bei mir.
Etwas fehlte ihr. Sie schämte sich dafür, hatte sie doch alles erreicht, was
sie wollte. Nur etwas verwirrte sie. Sie konnte sich das kaum eingestehen. Sie
träumte nun plötzlich von unendlichen Weiten. Sie wollte sich auch sofort
wieder davon distanzieren und wurde dabei von Tränen geschüttelt.
Ich ermunterte sie, weiterzuträumen.
Sie behielt – trotz Panik, die aufstieg – die Bereitschaft dazu.
Und sie beschloss, ihre Vision von
Amerika ihrem Partner zu erzählen. Dieser reagierte entsetzt.
Sie lebten ja erst seit knapp zwei
Jahren auf dem Hof und hatten viel investiert. Sie realisierte zum ersten Mal
bewusst, dass sie einen Hof geschaffen hatten, der ihrem sanften, freien und
einfachen Wesen nicht entsprach. Die Innenräume waren durch ihren Partner auf
Messing und Marmor gestylt worden. Der Garten glich einem französischen
Königshofgarten, dessen einzige Aufgabe es war, reich zu scheinen. Es fiel ihr
wie Schuppen von den Augen. Sie beide hatten eine sich völlig widersprechende
Lebensphilosophie. Und sie hatte sich aus Gewohnheit vollkommen angepasst.
Gerade jetzt musste sie durch Zufall
erfahren, dass ihr Partner eine Geliebte hatte und beschloss, drei Wochen zu
Freunden nach Amerika zu reisen. In den Weiten Colorados kam sie sich selbst
näher. Sie traf einen Menschen, der ihrer Seele entsprach und mit dem sie
Gespräche führen konnte, die ihr im Innersten gut taten. Zurück in der Schweiz
wollte sie noch einmal versuchen, mit ihrem Partner ins Gespräch zu kommen. Er
aber wollte nur eines: dass alles blieb, wie es war.
Kurz: Es kam zu einer unschönen
Trennung. Sie verlor und verzichtete auf einen Großteil ihres Vermögens und
überließ ihrem Partner den Hof. Sie reiste zurück nach Colorado und ist heute
dort glücklich verheiratet. Zusammen mit ihrem Mann und den dort ansässigen
Indianern hat sie mit Lust und Kraft ihr eigenes Unternehmen auf die Beine
gestellt.
Sie schreibt mir lebensfrohe Briefe,
und einer der letzten enthielt einen Satz, den ich Ihnen nicht vorenthalten
möchte, denn ich finde, er beschreibt gelebtes Leben sehr treffend: Du hast
mein Leben zum Singen gebracht. Natürlich hat sie das selbst getan. Meine Begleitung
hielt sie einzig an ihrem Wesenskern, aber sie war bereit, diesem zu folgen.
Durch alle Angst und alle vordergründig materiellen Verluste hindurch, die sie
während dieses Lernweges zu sich selbst hin begleiteten.
Folgen Sie sich selber
Es gäbe noch viele realisierte Träume
zu erzählen... Ich möchte Sie auffordern, Ihre Träume Ernst zunehmen und ihnen
zu folgen. Vor allen Dingen, sie nicht zu werten, sie nicht in Schubladen
innerer und äußerer Zensuren zu stecken. Sie frei zu lassen, groß oder klein zu
lassen, einfach so, wie sie sich gerade zeigen. Ist da kein Traum, sondern nur
das Gefühl der Unzufriedenheit oder Unerfülltheit, dann gehen Sie dieser nach
und bleiben Sie dabei nicht an den Symptomen hängen.
Sie können Jahre damit verbringen,
diese zu untersuchen und zu analysieren, ohne je in Ihr gelebtes Leben zu
springen.
Vielleicht ist das nun der Moment, in
dem Sie jetzt gerade die Augen schließen, und sich fragen können: „Habe ich
mich in meinem Leben je gefragt was ich will? Oder habe ich gemacht, was die
anderen von mir wollten? Was ist mein tief gespürtes Bedürfnis. Wonach sehne
ich mich?
Gerade jetzt.“ Nehmen Sie aufmerksam
das allererste Bedürfnis wahr und behalten sie es, wie ein kostbares Geschenk.
Es hat sich gemeldet aus Ihrem tiefsten Innern, dass Sie solange nicht hören
durften. Darauf können Sie vertrauen und aufbauen. Es ist der Same, der wartet,
dass Sie ihn begießen, mit Ihrem Willen und Ihrer Konzentration, Ihrem
Mitgefühl und Ihrem freien Geist.
Dazu haben Sie immer die Wahl.
Lassen Sie sich nicht anstecken von
all den zweiten Impulsen in Ihnen selbst und um Sie herum.
Jede schnelle Gegenstimme ist aus
Selbstentfremdung gewachsen. Innen wie außen. Prüfen Sie gut, wer oder was Ihre
innere Lebendigkeit zu Tage fördert oder aber sogleich abtötet. Lassen wir
unsere Lebendigkeit abtöten, dann werden wir Teil dieser Haltung, die Menschen
die Würde abspricht, die der Manipulation Hand bietet, die das Mitgefühl als
unlebbar darstellt und Liebe der Lächerlichkeit preisgibt.
Diese Wahl ist es, die wir alle haben
und treffen müssen, soll Gewaltlosigkeit eine Chance bekommen, sollen Menschen
heranwachsen können, die nicht wie geistlose, leblose Roboter alles ausführen.
Diese Wahl ist es, die uns ermöglichen kann, als lebendige Menschen der Kraft
unseres Mitgefühls zu folgen, und so in die Unabhängigkeit, direkt in unser
wahrhaft gelebtes Leben zu springen. Es kann ein langer Weg werden, aber Sie
werden auf diesem Weg immer fühlen, dass es Ihr Weg ist. Das ist wunderbar
prickelnd und körperlich spürbar. Und er ist begleitet von kleinen und großen
Zufällen und Wundern, die einfach passieren, sobald Sie sich wirklich treu
sind.
Lassen Sie sich anstecken, Ihrem
wirklichen, eigenen, inneren Feuer zu folgen.
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