Montag, 27. Oktober 2014

Gedanken über die Liebe...

© hdhintergrundbilder.com

"Mein Herz, eines will ich Dir sagen:
Werde eine freie Wildnis für die Menschen und nicht ein mit Liebe verkleidetes Gefängnis.
Liebe die Menschen, aber nicht für Dich sondern für sie.
Versuche nicht sie an Dich zu binden.
Verheimliche und tarne nicht den Ausgang.
Wenn Du einen Menschen liebst, mein Herz, nimm ihn nicht auf wie einen Sklaven oder einen Gefangenen.

Lass ihn frei, lass die Türe offen.

Vielleicht sieht er gerade dann nach der Tür.
Vielleicht will er gehen, wenn Dir seine Anwesenheit am liebsten und kostbarsten ist.

Dann steh auf, begleite ihn zur Tür und lass ihn ziehen,
auch, wenn er ein Stück von Dir mitreisst.

Die Nacht war schön, auch wenn Du ganz allein versuchst Deine Wunden zu heilen.

Wie eintönig und leer sind dagegen jene Sklavenfeste, wo Dir der Gefangene Deiner Liebe mit ausdruckslosen Augen und müder Stimme Lieder singt.
Er weiß nichts zu erzählen.
Seine Gesellschaft ist langweilig und erzwungen.

Lass ihn frei, dann wird es schön, anmutig und geheimnisvoll.
Du wirst den Tag nicht vergessen, wenn einer von ihnen Dich einmal in Frieden besuchen kommt.

Er wird neben Dir sitzen, nicht gebunden sein und doch bleiben.
Er wird Dir mit leuchtenden Augen von seinem Leben erzählen.

Du wirst den Reichtum dieser Begegnung erfahren und mit der früheren Huldigung der Sklaven vergleichen und gar nicht begreifen, dass Du einmal so töricht warst und Dich bemühtest, die Menschen an Dich zu binden.

Mein Herz, bewahre Dir die Kraft, die Menschen frei zu lassen, die Du liebst.

Sei kein Sklavenhalter!
Kontrolliere nicht die Liebe und sichere sie nicht ab, so beleidigst Du nur ihr vornehmes und schönes Wesen.
Je freier Du die Menschen hinauslässt, umso überraschter und schöner ist ihre Wiederkehr.

Erinnere Dich aber auch an jene, die Du freigelassen hast und nie mehr wiederkehren, mit Freude und Stolz, denn sie haben wohl eine größere Freiheit gefunden.

Stark und mächtig sollst Du Dich fühlen, mein Herz, damit Du nie zu einem Menschen sagen musst: "Bleibe bei mir, ich brauche Dich, ich kann ohne Dich nicht leben."

Miss Deine Liebe nicht daran, dass Du an einen Menschen verfallen bist und nicht mehr ohne ihn leben kannst.

Wenn Du Deine Liebe messen willst, so horche, ob Du ohne Resignation, ohne Verbitterung, ohne Enttäuschung die Menschen aus Deinem innersten Räumen ziehen lassen kannst.
Denn so oft Du zu binden beginnst und sei es mit den feinsten Fäden der Sehnsucht und der Liebe, triffst Du die erste Vorbereitung für ein Sklavenfest.

Selbst wenn Dir ein Mensch ein Band reicht, damit Du ihn an Dich bindest, tue es nicht.
Wenn er Dir Liebe und Treue bis in den Tod schwört, nimm diesen Schwur niemals an.
Bleibt er gerne, so ist dieser Schwur unnötig.
Wird er einmal nicht mehr gerne bleiben wollen, so wird er diesen Schwur im geheimen bereuen.
Und wofür willst Du Dir traurige Gäste sammeln?

Einen Wunsch mein Herz, will ich Dir verlernen:
Den Wunsch, dass sich ein Mensch in Dir ganz glücklich fühlt.
Du würdest Dich im geheimen danach sehnen, dass er Dich nie zu klein empfindet, dass er nie über Dich hinauswächst.

Du solltest so groß werden und wünschen, dass alle Menschen, die Dir begegnen über Dich hinaus wachsen und Dich nicht mehr brauchen, nicht mehr brauchen zum glücklich sein!

Wie hast Du gezittert als dieser Gedanke an Dich herantrat und um Einlass bat. Du hast noch nicht gewusst, wie unendlich bereichert und vertieft, wie herrlich das ist, die Menschen über Deine Grenzen hinauswachsen zu lassen.

Wie weit und schön ist dadurch Deine Wildnis geworden.

Du brauchst die Liebe der Menschen nicht mehr.
Wie schön das ist, einen Menschen zu lieben, ohne ihn zu brauchen.
Es gibt keine Enttäuschung, nur eine Grenzenlose, schöne freie Welt.

Mein Herz, Du hast eine Wildnis, ein Land gesucht, wo das Geheimnis der LIEBE gedeiht.
Wo es nicht durch den täglichen Gebrauch gewöhnlich und banal wird.

Ich suche das Land, wo ich den Zauber der Liebe retten kann.
Und ich fand, dass alles der Alltäglichkeit und der Plattheit anheim fällt, wenn man es missbraucht und gebraucht.

Nur wer die Menschen, die Geheimnisse nicht braucht, wer so groß zu sein vermag, dass er alles vermissen kann, der kann sich retten vor der
ALLTÄGLICHKEIT DES LEBENS."


(Der Autor ist mir leider unbekannt, aber mögen seine weisen Worte bei Dir, lieber Leser, Gehör finden und in Dein Herz Einzug halten.)






Dienstag, 14. Oktober 2014

(Be-)werten und (ver-)urteilen

„Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete.
Er kennt weder Gründe noch Gegengründe
und glaubt sich immer im Recht.“
(Ludwig Feuerbach 1804-72)


„Nenne keinen weise,
ehe er nicht bewiesen hat, dass er eine Sache
von wenigstens acht Seiten her beurteilen kann.“
(Konfuzius 551-479 v.Chr.)

Seit mehreren Jahren versuche ich mir das (be-)werten und (ver-)urteilen von Situationen und Menschen abzugewöhnen.

Natürlich habe ich Werte, Vorlieben und Abneigungen und unterscheide auch zwischen angenehm und unangenehm, gesund und ungesund, Wohlgefühl und Unwohlsein, Sympathie und Antipathie, Abneigung und Zuneigung..., um diese Werte geht es mir hier nicht.

Es geht um die negative Form des Wertens, das abwerten und verurteilen.

Wir können Situationen immer nur aus einem kleinen Blickwinkel oder Zeitfenster betrachten. Die großen Zusammenhänge können wir nicht erkennen, weder was alles zu diesem Ereignis geführt noch was es für die Zukunft bedeutet und zwar für alle Beteiligten eines Ereignisses. Könnten wir dies erkennen, dann bräuchten wir wohl nichts mehr bewerten – wir würden verstehen.

Bevor du andere Menschen oder Situationen bewertest oder verurteilst, stelle dir immer folgende Fragen:
  • auf welcher Basis meine ich mir das erlauben zu können, kenne ich alle Fakten? 
  • kenne ich den Weg aller Beteiligten die zu einer Situation geführt haben und weiß ich was alle Beteiligten daraus zu erfahren haben? 
  • weiß ich genau mehr als andere? 
  • bin ich diesbezüglich besser als andere? 
  • kann ich meine (hohen) Ideale auch selbst umsetzen, lebe ich selbst das Leben was ich wirklich leben will? 
Könnte ich all diese Fragen mit JA beantworten, dann würde ich verstehen und werten wäre damit überflüssig.

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Wie viele Erlebnisse gab es in deinem Leben wo du dir erst dachtest „so ein Mist“ und heute sagst „glücklicherweise klappte es damals nicht“. Ich glaube es landet keine einzige Schneeflocke auf dieser Welt zufällig irgendwo, alles hat einen „übergeordneten“ Sinn, den wir nicht immer verstehen können, weil uns der Blick auf das Gesamte fehlt. Aber wir können darauf vertrauen, dass es so ist und es letztendlich immer zu unserem Besten ist.

Nicht nur über Situationen werten und urteilen wir. Mal ehrlich, Menschen beurteilen wir meistens erstmal nach ihrem Äußeren. Dann ab in eine Schublade und in der Regel bleiben sie da auch drin.

Klar, der äußere Eindruck ist nun mal der erste und zählt für uns visuelle Menschen, aber diese oberflächliche Sichtweise kann uns auch ganz schön in die Irre führen. Wie oft haben wir schon Menschen kennengelernt und gleich in unsere Schubladen einsortiert. Nachdem wir sie dann näher kennengelernt haben, durften wir feststellen, hey, das ist ja ein total netter Mensch mit dem ich mich super unterhalten kann. Ist es nicht wichtiger einen Menschen zu finden, der mit seinen inneren Werten und seiner Einstellung auf unserer Welle schwingt, auch wenn sein Äußeres nicht ganz unserem Geschmack entspricht.

Es spricht nicht gerade für uns, wenn wir Menschen ablehnen, nur weil sie nach äußerlichen Maßstäben oder unserer Interpretation nach nicht unseren Lebensmustern entsprechen. Wer bestimmt eigentlich was normal ist und was nicht, in der Regel die Gesellschaft.

Reisen wir in ein anderes Land oder in eine andere Zeit, herrschen dort andere Gesellschaftsformen und wir müssen uns an neue Normalitäten gewöhnen. Und nur weil die Mehrheit etwas für normal und richtig hält, muss es noch lange nicht richtig sein, was in der Geschichte bereits oft und bitter erfahren wurde.

Ich finde Menschen faszinierend die ihren eigenen Stil gefunden haben. Die einen eigenen Standpunkt haben und diesen auch vertreten können. Die sich selbst und ihrer Art treu sind – die authentisch sind.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters und ist zudem vergänglich, der Charakter bleibt in der Regel relativ konstant. Wir wollen wir jemanden wirklich verstehen wenn wir nicht seinen Weg in seinen Schuhen gegangen sind? Wären wir es, dann bräuchten wir sicher nicht mehr werten und urteilen.

Das heißt nicht, dass ich nun alle Situationen und Menschen toll und schön finden muss, aber ich kann mich neutral verhalten oder einfach nur distanzieren.

Das erfordert auch von mir, die sich darin schon jahrelang übt immer wieder Achtsamkeit meinem eigenen Denken gegenüber. Ich ertappe mich auch manchmal noch bei solchen Gedanken wie „sag mal, hat der keinen Spiegel zuhause“, merke es in der Regel aber sofort und sage zu mir selbst „lass es doch einfach, ist bestimmt ein netter Mensch“.



„Misstraue deinem Urteil,
sobald du darin den Schatten
eines persönlichen Motivs entdecken kannst.“

(Marie von Ebner-Eschenbach 1830-1916)